Das Projekt „SMall Innovative Launcher for Europe“ (auch bekannt als SMILE-Projekt), ein Horizon 2020-Projekt der EU, hat die Konstruktion einer Trägerrakete für den Transport von Kleinsatelliten (bis zu 150 kg) in eine sonnensynchrone Umlaufbahn in 500 km Höhe zum Ziel. Das zu den vierzehn teilnehmenden Organisationen zählende Institut für Konstruktion und Entwurf des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Sitz in Stuttgart ist verantwortlich für die Entwicklung eines Flüssig/Flüssig-Triebwerksinjektors für die Trägerrakete des SMILE-Projekts. Bei der Entwicklung eines Flüssigkeitsantriebssystems legt das Institut den Schwerpunkt auf die potenzielle Wiederverwendbarkeit und Sanierung des Systems, was eine kosteneffizientere Lösung für Kleinsatellitenträger bietet.

Angesichts der hohen Komplexität des Einspritzkopfbauteils seines Flüssigsauerstoff-(LOX)/Kerosin-Triebwerks hat das DLR in Zusammenarbeit mit dem 3D Systems Customer Innovation Center (CIC) in Leuven, Belgien, einen 3D-gedruckten Injektor entwickelt, der eine völlig neue Leistung und neue Möglichkeiten bietet. Das CIC von 3D Systems in Leuven ist eines von vier weltweiten Zentren, die sich der Beschleunigung fortschrittlicher Anwendungen widmen, indem sie den Kunden Zugang zu den für die Entwicklung, Validierung und Vermarktung ihrer Produkte erforderlichen Ressourcen bieten.

In Metall 3D-gedruckte Einspritzung für Flüssigraketentriebwerk für das Projekt EU Horizon 20/20 SMILE
Der aus Metall gedruckte Einspritzkopf spart 10 % Gewicht und macht 29 von 30 Teilen überflüssig.

Partnerschaft für den Erfolg

Mit der Entscheidung, seinen Koaxial-Einspritzkopf per 3D-Druck zu fertigen, hat DLR sich mehrere wichtige Vorteile der additiven Fertigung zunutze gemacht, darunter die Reduzierung der Teilezahl durch eine monolithische Bauweise oder die Integration von Schlüsselmerkmalen wie z. B. Kühlkanälen für eine höhere Leistung des gesamten Antriebssystems.

Markus Kuhn und Ilja Müller, die das Einspritzkopf-Projekt bei DLR leiten, berichten, dass sie 3D Systems aufgrund der nachweislichen Erfolge des Unternehmens im 3D-Metalldruck für Luft- und Raumfahrtanwendungen als Partner ausgewählt haben. „Angesichts des Erfolges der raumfahrtbezogenen Initiativen mit DMP hielten wir 3D Systems für perfekt geeignet, die Design-for-Manufacturing-Aspekte des Einspritzkopfes mit Blick auf neue Möglichkeiten der Sensorintegration und der Kraftstoff- und Kühlmittelverteilung zu liefern“, so Kuhn.

SMILE-Projekt: Heißbrandtest der Trägerrakete
Hot-Fire-Tests des 3D-gedruckten Einspritzkopfes zeigten gute Misch- und Verbrennungseffekte. Diese Arbeit erfolgt im Rahmen des Projektes „SMall Innovative Launcher for Europe“. SMILE wird von NLR koordiniert und von der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 687242 im Rahmen des "Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms" gefördert.

Optimierung der Konstruktion von Kraftstoffeinspritzdüsen und Reduzierung der Teileanzahl

Über die Einspritzdüse einer Rakete gelangen der Flüssigtreibstoff und das Oxidationsmittel in die Brennkammer. Eine optimale Treibstoffdüse stößt diese Komponenten so aus, dass sie richtig zerstäubt und vermischt werden, um die für den Antrieb der Rakete erforderliche Verbrennung zu erzeugen.

Laut Koen Huybrechts, einem Projektingenieur für 3D Systems, verfügt der von DLR vorgesehene Einspritzkopf mit Flüssigkraftstoff über mehrere leistungssteigernde Funktionen, die ausschließlich durch 3D-Druck mit DMP möglich wurden: „Die Notwendigkeit einer optimierten Leistung und Kühlung, der komplizierte Aufbau der Druck- und Temperatursensorkanäle und das Bestreben, die Montage und Produktion mit einheitlichen, leicht wiederholbaren Prozessen zu vereinfachen, sprachen für den ProX ® DMP 320“, so Huybrechts.

Der 3D-Metalldruck mit DMP brachte DLR folgende Vorteile:

  • Optimierung der Teileleistung durch neue Möglichkeiten der Kraftstoff- und Kühlmittelverteilung;
  • Einfache Umsetzung von 3D-gefertigten Druck- und Temperatursensorkanälen;
  • Einsparung von Produktions- und Montagezwischenschritten;
  • Unabhängige Optimierung der thermischen, massenbezogenen und hydraulischen Leistungsfaktoren ohne die Beschränkungen herkömmlicher Fertigungsmethoden;
  • Vermeidung von Montagefehlern und Verbesserung zahlreicher Qualitätsaspekte durch ein monolithisches Design;
  • Einsparung von Bearbeitungsschritten zur Herstellung eines hoch integrierten und multifunktionalen Injektors. 

Durch den Einsatz von 3D-Metalldruck konnte DLR einen völlig anderen Gestaltungsansatz für seine Koaxialinjektoren wählen und gleich mehrere Unterkomponenten wegfallen lassen, was zu einer erheblichen Senkung der Produktionszeit und -kosten beitrug. Eine Reduzierung der Teile von 30 auf ein einziges brachte letztlich eine Gewichtsersparnis von 10 % und beseitigte bekannte Problemstellen an den Befestigungspunkten, um die damit einhergehenden Maßnahmen zur Qualitätskontrolle zu erleichtern und die Systemleistung zu verbessern.

3D-Modellquerschnitt des DMP-gedruckten Flüssigraketen-Triebwerksinjektors mit Strömungsvolumen
Durchflussvolumen des Einspritzkopfes: blau = LOX; orange = Kerosin; rot = Filmschicht; grün = Verdunstungskühlung.

Konsolidierung von Teilen durch Präzisionsmetalldruck

Die Anwendungstechniker von 3D Systems nutzten 3DXpert™, um die Einspritzkopfdatei für den Druck vorzubereiten. 3DXpert ist eine Software-Komplettlösung, die den gesamten Prozess der additiven Metallfertigung abdeckt. 3D Systems führte Vordrucke durch, um die Pulverentfernung in der Nachbearbeitung zu erleichtern, sowie eine Druckprobe, um sicherzustellen, dass das Teil sich ohne Komplikationen herstellen lässt.

Das fertige Teil wurde bei 3D Systems CIC in Leuven mit einem 3D Systems ProX DMP 320 Metalldrucker aus LaserForm® Ni718 (A), einer oxidations- und korrosionsbeständigen Inconel-Legierung, gedruckt. LaserForm Ni718 (A) zeichnet sich durch eine gute Zug-, Ermüdungs-, Kriech- und Bruchfestigkeit bei kryogenen Temperaturen bis zu 700˚C aus und ist daher ideal für Hochtemperaturanwendungen geeignet.

Nach dem Druck entfernte das Team von 3D Systems Materialreste aus dem Inneren des Teils, behandelte das Teil zwecks Spannungsabbau mit Wärme und entfernte es mithilfe von Funkenerosion (EDM) von der Bauplatte.

Komponenten eines Flüssigraketentriebwerksinjektor
Aufbau eines LOX-/Kerosin-Raketentriebwerks mit 3D-gedrucktem Injektor (Partner: 3D Systems) und keramischer Brennkammer.

Beschleunigte Designphase dank werkzeugloser Produktion

Mit dem Fachwissen von 3D Systems im Bereich der additiven Fertigung und DMP war DLR in der Lage, Konstruktionsänderungen zeitnah und ohne aufwändige Werkzeugausrüstung umzusetzen und zu untersuchen. Diese Fähigkeit war für den Entwicklungszyklus bei DLR von entscheidender Bedeutung, da die Vorlaufzeiten für die erste Konstruktionsphase und die Erprobung des Einspritzkopf-Prototyps nur wenige Wochen betrugen.

„Die Expertise von 3D Systems im Bereich 3D-Design in Kombination mit dem ProX DMP 320 ermöglichte es uns, mehr Designoptionen in viel kürzerer Zeit zu testen“, so Kuhn und Müller.

Der 3D-Metalldruck ermöglichte es DLR, koaxiale Einspritztechniken mit einem Doppelwirbel-Injektorelement anzuwenden, um die Oxidator-Kraftstoff-Mischung des Einspritzkopfes zu optimieren. Es wurden zwei verschiedene Kühllösungen umgesetzt, die jeweils feine Kanäle mit Mindestgrößen von 0,2 mm bei einem Längen/Durchmesser-Verhältnis von bis zu 45 verwenden. In den Einspritzkopf wurde auch eine Filmauflagefunktion integriert, die es den Ingenieuren ermöglicht, den Filmmassendurchsatz direkt am Injektor einzustellen.

Blick in den Innenaufbau eines per 3D-Metalldruck gefertigten Einspritzkopfes
Ein Blick ins Innere des Einspritzkopfes zeigt die Komplexität, die durch den 3D-Metalldruck möglich wird.

Höhere Leistung zu geringeren Kosten

Daneben konnte DLR durch die direkte Integration eines Kühlmittelverteilungssystems in den Injektor zusätzliche Leistungssteigerungen erzielen, indem sich Wandtranspirations- und Filmkühlungstechniken umsetzen und unabhängig voneinander steuern lassen. Beim Aufbringen innerhalb des Injektors bildet sich auf der heißen Innenseite der Brennkammer ein Kühlmittelfilm, der die Wandstruktur vor extremen Wärmeströmen schützt. Diese Art von System gilt als wesentlich einfacher und kostengünstiger herzustellen als die klassische regenerative Kühlung.

Zusammen mit hochentwickelten keramischen Werkstoffen wie Keramik-Faser-Matrix-Verbundwerkstoffen (CMCs) könnte der von DLR und 3D Systems entwickelte Design- und Fertigungsansatz es möglich machen, die für den Einspritzkopf entwickelten Strukturen und Systeme mehrfach zu verwenden und die Technologie auf andere Anwendungen zu übertragen.

Zur Bewertung des neuen Designs führte DLR numerische Simulationen der internen Strömungen durch, um die Treibstoffverteilungen und die damit verbundenen Druckverluste in den Zuleitungen für jeden Treibstoff abzuschätzen. In den anschließenden Kaltflussversuchen ließ sich eine gute Korrelation zwischen den berechneten und experimentell gemessenen Daten nachweisen. Heißbrandversuche für den endgültigen 3D-gedruckten Einspritzkopf bei PLD Space in Spanien (ein weiterer Partner des SMILE-Projekts) zeigten eine gute Mischungs- und Verbrennungseffizienz in Kombination mit der von DLR entwickelten Raketenschubkammeranordnung.

Es wird erwartet, dass die durch den Metalldruck ermöglichten neuartigen Design- und Fertigungsprozesse auch in Zukunft ein hohes Maß an geometrischer Freiheit, weniger Fertigungsschritte für eine schnellere Markteinführung, einen optimierten Einsatz von Materialien und Teilen, kontinuierliche Leistungsverbesserungen und eine verbesserte strukturelle Integrität zur Verlängerung der Lebensdauer des Injektors bieten werden.

„Ohne Zweifel können wir von der Überlegenheit der integrierten Funktionalitäten des 3D-gedruckten Einspritzkopfes ausgehen sowie davon, dass die Produktionszeiten kürzer und die Kosten im Vergleich zu modernen, mit konventionellen Methoden hergestellten Äquivalenzteilen niedriger sind“, sagt Müller.

Additive Metallfertigung in der Luft- und Raumfahrt

Der 3D-Metalldruck hat als Schlüsseltechnologie in der Luft- und Raumfahrt an Dynamik gewonnen, da seine Vorteile auf die wichtigsten Prioritäten der Branche abgestimmt sind, darunter Gewichtsreduzierung, Treibstoffeinsparungen, höhere Betriebseffizienz, Teilekonsolidierung, kürzere Markteinführungszeit und weniger Lagerbedarf für Teile.

Zu den jüngsten Projekten, die die Wirksamkeit der DMP-Technologie von 3D Systems auf dem Luft- und Raumfahrtmarkt bewiesen haben, gehören:

  • Der erste im 3D-Druckverfahren hergestellte Hochfrequenzfilter, der für den kommerziellen Einsatz von Telekommunikationssatelliten getestet und freigegeben wurde. Der neue Filter von Airbus Defence and Space ist nur halb so schwer wie frühere Entwürfe.
  • Titan-Brackets, die 25 % leichter sind und ein besseres Verhältnis von Steifigkeit zu Gewicht aufweisen als die auf konventionellem Wege hergestellten – ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Thales Alenia Space und 3D Systems.
  • Triebwerksteile, die im Rahmen eines Projekts der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und 3D Systems entwickelt wurden, die Gewicht sparen, die Montage vereinfachen, die Fertigung beschleunigen und eine leichtere Anpassung der Konstruktion in vorangeschrittenen Phasen ermöglichen.
  • Eine topologisch optimierte Flugzeughalterung, deren Gewicht bei Wahrung der vollen Funktionstüchtigkeit um 70 % reduziert ist und die die Vorgaben von GE Aircraft einhält.

Hier gibt es ausführlichere Infos über DMP für Ihre Anwendung.

 

Diese Arbeit wird im Rahmen des Projekts "SMall Innovative Launcher for Europe" durchgeführt. Das SMILE-Projekt, das von NLR koordiniert wird, wurde unter der Subventionsvereinbarung Nr. 687242 im Rahmen des "Horizon 2020 research and innovation program" der Europäischen Union gefördert.